Hans Scholl

*22. September 1918 – †22. Februar 1943

Hans SchollHans Scholl wuchs zusammen mit seinen Geschwistern Inge (1917–1998), Elisabeth (* 1920), Sophie (1921–1943) und Werner (1922–1944) bis 1930 in Forchtenberg, von 1930 bis 1932 in Ludwigsburg und ab 1932 in Ulm auf und wurde durch seine Mutter Magdalena (1881–1958), die bis zur Eheschließung Diakonisse war, und seinen Vater Robert Scholl, einen Liberalen, zu christlich-humanistischen Werten erzogen. Hans Scholl war wie seine Geschwister gegen den erklärten Willen des Vaters zunächst ein begeistertes Mitglied der Hitler-Jugend und nahm Führungsposten im Jungvolk der Hitler-Jugend ein. Durch seinen Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern der „bündischen Jugend“ geriet er in Konflikt mit der Hitler-Jugend, weswegen er und seine Geschwister 1937 für kurze Zeit inhaftiert wurden. Gegen Hans Scholl und andere wurde ein Verfahren wegen Fortsetzung der bündischen Jugend eröffnet. Es wurde aber 1938 nach einer Amnestie eingestellt.

Ob sich die Geschwister Scholl bereits zu diesem Zeitpunkt vom Nationalsozialismus abwandten, ist fraglich. Doch ging die Jugendzeit Hans Scholls zu Ende, und er machte Bekanntschaft mit Mädchen, Philosophie und Religion. Diesen Umschlagspunkt schilderte Hans Scholl in einem Brief an den katholischen Publizisten Carl Muth vom 22. Dezember 1941: „Ich bin erfüllt von der Freude, zum ersten Mal in meinem Leben Weihnachten eigentlich und in klarer Überzeugung christlich zu feiern. Wohl sind die Spuren der Kindheit nicht verweht gewesen, als man unbekümmert in die Lichter und das strahlende Antlitz der Mutter blickte. Aber Schatten sind darüber gefallen; ich quälte mich in einer gehaltlosen Zeit in nutzlosen Bahnen, deren Ende immer dasselbe verlassene Gefühl war und immer dieselbe Leere. Zwei tiefe Erlebnisse, von denen ich Ihnen noch erzählen muss. Und schließlich der grauenhafte Krieg, dieser Moloch, der von unten herauf in die Seelen aller Männer schlich und sie zu töten versuchte, machten mich noch einsamer. Eines Tages ist dann von irgendwoher die Lösung gefallen. Ich hörte den Namen des Herrn und vernahm ihn. In diese Zeit fällt meine erste Begegnung mit Ihnen. Dann ist es von Tag zu Tag heller geworden. Dann ist es wie Schuppen von meinen Augen gefallen. Ich bete. Ich spüre einen sicheren Hintergrund und ich sehe ein sicheres Ziel. Mir ist in diesem Jahr Christus neu geboren.“

Die Begegnungen mit Theologen wie Theodor und Carl Muth fanden später ihren Niederschlag in den Flugblättern der Weißen Rose. Was Scholl dazu gebracht hat, aktiven Widerstand gegen das NS-Regime zu leisten, ist nicht bis ins Letzte bekannt. Offenbar haben dabei die Predigten des Bischofs von Münster, Clemens August Graf von Galen, eine wichtige Rolle gespielt. In ihnen berichtete dieser über die Tötung von Geisteskranken und forderte zum Durchhalten gegen den „braunen Terror“ auf. Die Familie Scholl hatte Vervielfältigungen dieser Predigten in Ulm in ihrem Briefkasten gefunden.

Hans SchollDem Abitur folgten der Reichsarbeitsdienst und die Einberufung in die Wehrmacht. Danach studierte Scholl an der Ludwig-Maximilians-Universität München Medizin. Während der Semesterferien wurde er als Sanitäter zum Frontdienst eingezogen. Angesichts des Krieges und unter dem Einfluss katholischer Gegner der NS-Ideologie beteiligte sich Hans Scholl an der Gründung der Widerstandsgruppe Die Weiße Rose an der Münchner Universität. Die Gruppe verbreitete sechs Flugblätter, von denen die ersten vier als Flugblätter der Weißen Rose gekennzeichnet waren, das fünfte als „Flugblätter der Widerstandsbewegung in Deutschland“. Das erste beginnt mit den Worten: „Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ‚regieren‘ zu lassen.“ Am Schluss wird zum passiven Widerstand aufgerufen. Im zweiten Flugblatt wird über die Ermordung von 300.000 polnischen Juden berichtet: „Hier sehen wir das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen, ein Verbrechen, dem sich kein Ähnliches in der ganzen Menschheitsgeschichte an die Seite stellen kann..“ Im dritten wird eindringlich zur Sabotage aufgefordert. Das vierte Flugblatt endet mit den Worten „Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen; die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe!“

Von Ende Juli bis Anfang November 1942 waren Hans Scholl und das Weiße-Rose-Mitglied Alexander Schmorell an die „Ostfront“ abkommandiert, wo sich ein enger Kontakt zu dem 24jährigen Willi Graf entwickelte. Graf beteiligte sich nach der Rückkehr in München an ihren Aktionen, ebenso Sophie Scholl, die im Mai 1942 zum Studieren von Ulm nach München umgezogen war. Außerdem wird der 49jährige Musikwissenschaftler und Münchner Professor Kurt Huber, der bei Oppositionellen angesehen war, für die Gruppe gewonnen. Die Gruppe nimmt Kontakt zu anderen Widerstandsgruppen im Saarland und in Hamburg auf. In Ulm verbreitete eine Schülergruppe um Hans Hirzel und Franz J. Müller die Flugblätter der Weißen Rose.

Nun verschärfte sich der Ton der Flugblatttexte von der apokalyptischen Polemik hin zur politischen Vision: Im fünften Flugblatt, das Hans Scholl verfasst und Huber verbessert hatte, wird programmatisch von der Widerstandsbewegung in Deutschland gesprochen. Anlass für das sechste und letzte Flugblatt war der Ausgang der Schlacht von Stalingrad. Die Gruppe ruft zum Kampf gegen die NSDAP auf.

Am 18. Februar 1943 wurde Hans Scholl, als er zusammen mit seiner Schwester Sophie in der Münchner Universität das Stalingrad-Flugblatt verteilt und Sophie den Rest der Flugblätter in den Lichthof der Eingangshalle hinabgeworfen hatte, von Hausmeister Jakob Schmid entdeckt und an die Geheime Staatspolizei (Gestapo) ausgeliefert. Vier Tage später, am 22. Februar, wurden sie und auch Christoph Probst durch den Volksgerichtshof unter der Leitung von Roland Freisler zum Tod durch das Fallbeil verurteilt. Das Urteil wurde noch am gleichen Tag im Gefängnis München-Stadelheim unter Aufsicht von Walter Roemer, Leiter der Vollzugsabteilung des Münchner Landgerichts, durch Johann Reichhart vollstreckt. Hans Scholls letzte Worte sollen gewesen sein: „Es lebe die Freiheit!“

Der evangelische Gefängnisseelsorger Karl Alt, der Hans Scholl vor der Hinrichtung besuchte, berichtet in seinem Buch „Todeskandidaten“ von der tiefen Glaubensgewissheit des jungen Verurteilten, der ihn bat, das „Hohelied der Liebe“ (1 Kor 13) und den 90. Psalm vorzulesen und das Abendmahl mit ihm zu feiern. Scholls Leichnam wurde auf dem Friedhof am Perlacher Forst im Grab Nr. 73-1-18/19 beigesetzt.

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