... Die Bahnhofsuhr zeigte genau viertel vor elf, als Wolfgang Hübner und die Jugendlichen aus dem Bahnhofsgebäude auf den Vorplatz traten. Es war ein nebliger Novembertag. …
… Hübner kannte sich in Münster gut aus, weil er hier als Student zwei Semester verbracht hatte. In diesem Augenblick bemerkte er die moderne Baukonstruktion der "Radstation" auf dem Bahnhofsvorplatz, eine Art Parkhaus für Fahrräder. …
… Nach einer knappen Viertelstunde erreichten sie die alte Stadtkriche von Münster, Sankt Lamberti. …
… Sie betraten den riesigen Kirchenraum von St. Lamberti, eine von Licht durchflutete Gewölbehalle, viel heller, als man von draußen vermutet hätte. …
… "Hier in Lamberti war Clemens August von Galen vier Jahre lang Pfarrer, bevor er im Herbst 1933 zum Bischof von Münster gewählt wurde."
… Dann schaute er zur Kanzel empor: "Aber erst acht Jahre später wurde dise Kanzel ein Ort, auf den die Welt schauen sollte."… "Hier hielt Galen die erste un d die letzte seiner drei weltberühmten Predigten vom Sommer 1941." …
… Kurz vor dem Dom blieb die Gruppe stehen, direkt vor einer gewaltigen Statue aus Bronze. Die Jugendlichen erkannten sofort, um wen es sich handelte: Clemens August von Galen. "Diese Skulptur steht genau auf der Linie zwischen der Kanzel in der Lamberti-Kirche und seinem Grab im Dom", erläuterte Philipp. …
… Zu Füßen der Skulptur waren verschiedene Schrifttafeln aus Bronze in die Pflasterung eingelassen. Auf einer waren lateinsiche Worte zu lesen. "Nec laudibus nec timore", las Philipp laut vor, und erklärte: "Das ist der lateinische Wahlspruch Galens, sozusagen sein Motto als Bischof. Auf deutsch heißt das 'weder Lob noch Furcht'. …
… Die übrigen Bronzetafelnim Boden ließ Philipp die Jugendlichen selbst lesen, so etwa ein Wort aus einer Galen-Predigt: "Was allein uns retten kann: Dass wir die Gebote Gottes zur Richtschnur unseres Lebens machen." …
… Sie verließen das bunte Treiben des Wochenmarktes und gingen nur wenige Meter an der Außenwand des Doms entlang, bis sie vor einer riesigen Kreuzigungsgruppe standen. Auch sie war aus Bronze. … "Die drei Gestalten unter dem Kreuz sind aber als Persönlichkeiten der jüngeren Geschichte dargestellt." Philipp zeigte von links nach rechts entlang. "Die Frau ganz links ist als die selige Schwester Euthymia zu erkennen, …
…, daneben die Figur der Maria Magdalena ist als die selige Anna Katharina Emmerick gestaltet. Beide sind Ordensfrauen gewesen, die im 19. und 20. Jahrhundert lebten und eine Beziehung zu Münster hatten." …
… "Und der Evangelist Johannes sieht wie Galen aus!" rief Jakob. …
… "Genau", nickte Philipp. "Wenn ihr näher herangeht, seht ihr, wie er in der Hand anstelle des Evangeliums ein Exemplar seiner Predigt hält." …
… "So!", meinte Philipp gutgelaunt, "jetzt lassen wir das kalte Novemberwetter hinter uns, denn jetzt geht's in den Dom!" …
… Sie hatten sich soeben das Glockenspiel der berühmten "Astronomischen Uhr" im Innern des Doms angehört und den Marsch der beweglichen Figuren angeschaut – eine tägliche Touristen-Attraktion um 12.00 Uhr. …
… Bevor die Gruppe in die Grabkapelle einbiegen konnte, musste sie einen Messingstreifen überqueren, der in den Fußboden eingelassen war.
"An diesem Metallband im Boden kommt man nicht vorbei", erläuterte Philipp mit leiser Stimme. "Das Metallband ist symbolisch gemeint für das Wirken Galens, sich den Machthabern seiner Zeit in den Weg zu legen beziehungsweise sich quer zu stellen." …
… "Durch das Metallband im Boden wurden zwei besondere Stellen miteinander verbunden: zum einen die bronzene Büste, welche den Kopf Galens mit Mitra darstellt, zum anderen die bronzene Grabplatte, unter der Galen begraben liegt." …
… Lena legte den Strauß mit den weißen Rosen, die sie auf dem Domplatz der alten Frau abgekauft hatte,, auf das Grab. …
… "Wisst ihr was?", unterbrach Jakob die Stille. "Wir sollten den Löwen von Münster vor aller Öffentlichkeit ehren! Sollen wir nicht einige von den Rosen auch draußen vor die Skulptur legen?" …