Es gibt bei mir einfach keinen geeigneten Platz, um es aufzuhängen. Aber es bedeutet mir viel, ich kann es nicht einfach irgendwo verstauen. „Ulm im Schnee“ – der hohe Kirchturm des Ulmer Münsters sprengt buchstäblich den Rahmen. Die Spitze ist nicht mehr zu sehen, und gerade dieses Detail des Bildes gefällt mir sehr gut. Ich habe mal gehört, dass Kirchturmspitzen wie Fingerzeige zum Himmel seien. Sie weisen auf etwas hin, das über das Begrenzte und Irdische hinausgeht. Und wenn dann auch noch die oberste Spitze, von der man ja weiß, dass sie da ist, nicht zu sehen ist, drückt dies doch auch die Sehnsucht von uns Menschen aus, weiter zu schauen, über die Begrenzung hinweg …
Und genau das taten ein paar mutige junge Leute aus Ulm: die Geschwister Scholl. Ich habe gemerkt, dass es sich lohnt, Sophie und Hans Scholl besser kennen zu lernen. Es war mehr als nur spontaner Widerstand, den die Gruppe der Weißen Rose dazu veranlasst hat, mit Flugblättern auf das Unrecht einer Diktatur aufmerksam zu machen. Sie haben im Vorfeld dieser weltberühmten Aktionen sehr viel gelesen, diskutiert, philosophiert und sich auch die Frage nach Gott gestellt. Mir fällt ein Gedanke von Sophie Scholl ein. Am 12. Dezember 1941 schrieb sie ihn auf. Für mich ist er ein Zeichen großer spiritueller Tiefe. Diese beiden Sätze – sie fallen mir ein, wenn ich mir ein bisschen Zeit für das große Gemälde nehme, das noch nicht den richtigen Platz bei mir gefunden hat:
„Wenn ich jemand sehr liebe, das merke ich eben, dann kann ich nichts Besseres tun als ihn in mein Gebet einschließen. Wenn ich jemand mit allem guten Willen liebe, ich liebe ihn um Gottes willen, was kann ich Besseres tun, als mit dieser Liebe zu Gott zu gehen?“
(Das Gemälde wird erstmals im Buch auf Seite 23 erwähnt: "Sie wandte sich um und zeigte auf ein großes Ölgemälde an der Wand, auf dem man den Marktplatz von Ulm im Schnee sah.")